Mythen im Hundetraining einmal aufgeklärt

Mythen im Hundetraining einmal aufgeklärt

Hunde nehmen die Welt anders wahr als wir Menschen. Beispielsweise nehmen sie viel mehr Gerüche auf oder sehen die Farben anders. Leider vergessen wir das oft. Doch all dies wirkt sich auf das Verhalten der Hunde aus und somit auch auf unser Zusammenleben und die Erziehung.


Bewegungssehen


Hunde haben ein Bewegungssehen. Das bedeutet, sie nehmen bewegte Reize viel stärker wahr als wir Menschen. Dies ist von der Natur so geregelt um das Überleben zu sichern. Der Hund wird also auf bewegte Reize sofort reagieren: Sei es ein Ball, der wegrollt oder eine Fliege, die ihm vor der Schnauze herumschwirrt.
Im Gegensatz dazu, nehmen sie statische Reize kaum wahr. Dies wird einem bewusst, wenn der Hund das Reh, das am Feld steht, nicht sieht. Oder beim Mantrailing mehrmals an der statisch sitzenden Person vorbeiläuft, weil er sie schlichtweg einfach nicht wahrnimmt.
Bei manchen Rassen, wie z.B.: Treib- und Hütehunde (Border Collie, Aussie, Entlebucher Sennenhund, Australian Cattledog,…) wurde sogar eine Zuchtauslese betrieben, damit sie massiv auf bewegte Reize reagieren. Diese Rassen arbeiten mit ihren Augen - bricht ein Schaf aus - muss dies der Hund unmittelbar wahrnehmen. Beim Training mit diesen Rassen ist zu beachten, dass die Umgebung möglichst reizarm ist. Der Hund kann sich sonst nicht konzentrieren, wenn sich überall Blätter im Wind bewegen oder Schnüre von der Jacke baumeln. 


Hunde nehmen Farben anders wahr als der Mensch

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Die Welt sieht für einen Hund komplett anders aus, als für einen Menschen. Sie sehen Farben grundsätzlich nicht so gut wie wir Menschen. Hunde sehen Farben, allerdings nehmen sie alle Farben außer Blau und Gelb sehr abgeschwächt und in leichten Grautönen wahr.
Blau und Gelb dagegen sticht regelrecht heraus - im Gegensatz zur sonst eher grauen Umwelt.
Beim Training gilt hier Folgendes:
Möchte ich in Differenzierungsaufgaben gehen, sorge ich dafür, dass mit Farben gearbeitet wird, die der Hund sieht und somit gut unterscheiden kann. Der Hund könnte rot von grün gar nicht unterscheiden, weil er die Farben schlichtweg nicht erkennt.
Möchte ich hingegen Nasenarbeit mit meinem Hund machen, muss ich dafür sorgen, dass hier Farben verwendet werden, die der Hund NICHT wahrnehmen kann. Denn sonst würde er nur mit den Augen suchen und die Nase nicht einsetzen, da dies wesentlich ressourcenschonender ist.

Jagdinstinkt

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Alle Hunde werden mit einem Jagdinstinkt geboren. Richtig, es handelt sich um einen JagdINSTINKT, nicht um einen Jagdtrieb - wie in der Umgangssprache leider fälschlicherweise gerne gesagt wird.
Der Unterschied zwischen einem Trieb und einem Instinktverhalten ist Folgender:
Ein Trieb kann kontrolliert werden, z.B.: durch Grundgehorsam. Kann man seinen Trieb über längere Zeit nicht ausleben, wird man psychisch und/ oder physisch krank davon.

Ein Instinktverhalten wird über einen anderen Bereich im Gehirn geregelt - das limbische System. Der Hund reagiert instinktiv auf einen angeborenen Auslösemechanismus (etwas Kleines, das schnell wegläuft) und danach tritt eine Verhaltenskette in Gang. Diese Kette besteht, je nach Rasse, aus einer unterschiedlichen Anzahl an Elementen - in der Regel 7 - 9 Teilelemente. Der Hund kann aus dieser Kette nicht mehr heraus, außer, der auslösende Reiz ist plötzlich weg. Je weiter er in der Verhaltenskette voranschreitet, desto schwerer ist der Hund abrufbar. Irgendwann kommt der „Point of no Return“.
Der Hund jagt nicht „bewusst“, sondern instinktiv. Das Jagen kann ihm nicht abgewöhnt werden und er wird immer auf bewegte Reize reagieren. Gutes Jagdersatztraining konzentriert sich auf einen gut aufgebauten Rückruf, eine gute Bindung, Impulskontrolle und natürlich auf die Rasse abgestimmte alternative Beschäftigung.



Trainingsgrundlagen:


Beuge dich niemals über einen Hund:

Für Hunde ist es eine Drohgebärde, wenn man sich über sie beugt. Sie tolerieren das bei den eigenen Besitzern. Aber bei fremden Menschen ist es ihnen unangenehm - sie weichen zurück, schlecken sich über die Nase und/ oder schauen weg.
Hunde mögen es auch nicht, wenn man ihnen von oben auf den Kopf greift. Sie wollen wissen, wer sie angreift und selbst entscheiden, ob sie dies zulassen oder nicht. Idealerweise geht man in die Hocke, blickt den Hund nicht direkt an (starrer Augenkontakt ist Drohen) und lässt ihn an der Hand schnuppern. Lässt er dies zu und weicht nicht zurück, kann man ihn langsam seitlich an den Wangen streicheln.
Dies ist eine höfliche Annäherung: Ich gehe auf deine Höhe, ich bedrohe dich nicht und du kannst mich zuerst kennenlernen und selbst entscheiden, ob du Kontakt aufnehmen möchtest oder nicht.

belohnungsformen

Belohnungsformen:

Eine Belohnung kann viel sein, es muss sich nicht immer um ein Leckerchen handeln. Wichtig ist, dass es für den Hund in dem Moment auch als Verstärkung wahrgenommen wird.
Man kann den Hund mit einer Spielfreigabe, einer Erlaubnis ins heiß ersehnte Nass zu springen, mit einem gemeinsamen Spiel oder genauso mit Laufen oder Buddeln belohnen. Der Hund muss sich belohnt fühlen. Der eine mag lieber ein Leckerchen, der andere zieht ein Spiel mit dem Besitzer jedem Futterstück vor.
Streicheln ist nicht in jeder Situation und auch nicht für jeden Hund immer eine Belohnung. Viele Arbeitslinien wollen in der Arbeit nicht gestreichelt werden. Weicht dein Hund zurück, möchte er nicht gestreichelt werden.
Es würde auch keinen Sinn machen, wenn ich ruhiges Verhalten von meinem Hund erwarte, ihn mit einem aufputschenden Spiel zu belohnen. Hier wäre streicheln oder ein Futterstück eher angebracht. Die Belohnung muss der Situation angepasst werden.


Stimmungsübertragung

Hunde sind sehr sensibel und sie bemerken jegliche Stimmungsschwankung. Sie spüren beispielsweise Angst und Unsicherheit des Besitzers und dies überträgt sich auf sie. Ist der Besitzer gestresst, hat man zumeist auch einen nervösen Hund. Oft wundern sich die Besitzer dann, wieso der Hund so hektisch ist und alles anbellt.
Ist der Besitzer im Dunkeln ängstlich, hat man auch einen verunsicherten Hund an seiner Seite. Hunde sind feinfühlige Wesen, die sich an uns orientieren und die uns oft unsere Stimmung widerspiegeln.

Erregungslevel:

Mensch und Hund sind sich in vielen Bereichen sehr ähnlich. Hat man Stress oder ist man zu aufgeregt, ist logisches Denken nicht mehr möglich. Hast du es schon einmal erlebt, dass du im Stress 50 Handgriffe gemacht hast, mit 3 wäre es auch erledigt gewesen und trotzdem hast du noch die Hälfte vergessen?
Das passiert deshalb, weil im Stress das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet wird. Das signalisiert deinem Körper, dass er in Gefahr ist und sich z.B.: auf Flucht oder Angriff vorbereiten muss. Hier brauchen wir keine mathematischen Übungen mehr lösen können. Und genauso geht es unseren Hunden auch:
Steigt das Erregungslevel zu sehr, ist der Hund nicht mehr fähig zu verknüpfen oder zu lernen. Wie oft sieht man einen nervösen, hechelnden und herumhüpfenden Hund, der seinen Besitzer vor lauter Aufregung/ Stress gar nicht mehr wahrnimmt, während der Besitzer zum 5.Mal „Sitz“ brüllt. Das macht der Hund nicht mit Absicht, er ist schlichtweg nicht mehr in der Lage sich zu konzentrieren. Dies kann sogar soweit gehen, dass die Hunde keine Leckerchen mehr annehmen können. Bei der Flucht oder beim Angriff braucht man schließlich keinen vollen Magen bzw. hat man auch kein Hungergefühl.
Wenn du es rechtzeitig erkennst, dass dein Hund aufgeregt ist, kannst du ihn mit schnüffeln, schlecken und kauen wieder auf ein Level holen, auf dem er wieder auf dich reagieren kann.

Ortsbezogenheit:
ortsbezogenheit

Hunde lernen orts- und situationsbezogen. Dieses ortsbezogene Lernen ist auch der Grund, warum Hunde z.B.: in der Hundeschule superbrav sind. Kaum verlässt man den Platz, ist alles wieder vergessen.
Der Hund verknüpft Signale, sowie positive und negative Erlebnisse mit einem Ort und der Situation. Beispielsweise: Ein Hund wird gebissen. In diesem Moment weiß ich noch nicht, womit er den Biss verknüpft. Es kann der Ort sein, an dem es passiert ist oder Tag bzw. Nacht. Er kann die Person, die ihn Gassi geführt hat, mit dem Ereignis verknüpfen. Oder aber alle großen Hunde. Vielleicht auch alle schwarzen Hunde (Farbe) oder nur die spezifische Rasse, die ihn gebissen hat. Möglicherweise verbindet er es mit dem Geschlecht - Rüde oder Hündin. Dies zeigt sich dann erst in weiterer Folge, wenn der Hund z.B.: vor allen schwarzen Hund Angst hat.
Deshalb ist es auch leichter ein unerwünschtes Verhalten in einer neutralen Gegend neu aufzubauen. Hier fehlt nämlich der ortsbezogene Faktor des unerwünschten Verhaltens. Umgekehrt ist auch eine Generalisierung bei neuen Signalen wichtig: Übt man Leinenführigkeit nur vom Bipa bis zum Billa, also immer dieselbe Strecke, wird der Hund hier sehr bald perfekt an der Leine gehen. Aber wehe man geht einmal einen anderen Weg, dann hat der Hund noch nie etwas von Leinenführigkeit gehört… Er hat nämlich den Ort mit dem Verhalten verknüpft. Deshalb müssen solche Signale an vielen verschiedenen Orten geübt und gefestigt werden.

Exakter Belohnungszeitpunkt:

Beim Erlernen von neuen Verhaltensweisen erleichtert ein exakter Belohnungszeitpunkt das Training und führt zu einem schnelleren Lernerfolg.
Hier eignet sich der Einsatz von Clicker oder Marker perfekt. Diese Marker markieren sozusagen den perfekten Belohnungszeitpunkt und man hat danach noch etliche Sekunden Zeit dem Hund sein Leckerchen zu geben. Trotzdem verknüpft er die Belohnung mit dem Zeitpunkt, an dem der Marker gesetzt wurde.
Z.B.: Der Hund lernt Sitz. Sobald der Hintern den Boden berührt, wird der Marker gesetzt - der Hund spürt den taktilen Reiz (Popo auf Boden) und erhält den Marker.  Nun haben wir einige Sekunden Zeit nach unserem Keks zu kramen und es ihm zu geben. Der Hund verknüpft das Keks mit „Popo auf den Boden“, weil hier der Marker gesetzt wurde.
Würde man dies nun ohne Marker machen und einfach „Feeeeeeeiiiiiiiiiiin“ rufen, würde der Hund aufspringen und zu einem kommen. Hier erhält er das Keks. Wofür wurde er jetzt belohnt?
Marker sollten möglichst kurz, prägnant und exakt sein und NIEMALS ohne Verstärker eingesetzt werden. Wörter wie Fein, Super, Toll, Spitze eignen sich deshalb nicht, weil man sie im täglichen Sprachgebrauch unbewusst viel zu oft verwendet.
Je exakter das Belohnungstiming, desto schneller und frustrationsärmer kann der Hund lernen.

Signalsicherheit:

Sehr oft verstehen unsere Hunde gar nicht, was wir von ihnen wollen. Das Signal wird dreimal gegeben, bis es der Hund ausführt… Oder unsere Körpersprache signalisiert dem Hund etwas ganz anderes als wir sagen… Wir sind leider sehr oft zu ungeduldig und auch sehr oft unklar für unsere Vierbeiner.

- Konsequenz bei den Signalen
Dieselbe Handlung des Hundes, löst IMMER dasselbe Verhalten beim Menschen aus. JEDES Mal, wenn der Hund an einem Besuch hochspringt, dreht sich dieser weg. Bleibt er mit allen Vieren auf den Boden, erhält er Aufmerksamkeit oder ein Leckerchen. Hier wird der Hund sehr schnell lernen, dass sich das Hochspringen nicht lohnt.
Wird er aber manchmal gestreichelt, wenn er hochspringt oder ein paar Mal stürmisch begrüßt, versteht er einfach nicht, was man von ihm möchte. Woher soll er es denn auch wissen, wenn wir Menschen auf dasselbe Verhalten des Hundes immer anders reagieren?

- Vokabeltreue:
Wir dürfen niemals vergessen, dass der Hund unsere Sprache nicht spricht. Für uns ist oft klar, was wir wollen, für den Hund aber nicht. Wir verwenden beispielsweise Platz für viele unterschiedliche Verhaltensweisen. Darunter verstehen wir:
- Gehe auf deinen Platz
- Lege dich in Sphinxstellung, gleich geht es los
- Lege dich irgendwie unter den Tisch, es dauert länger
- Bleibe liegen, ich gehe weg
  ….
Für den Hund wäre alles viel logischer, wenn wir für verschiedene Verhaltensweisen, unterschiedliche Signale verwenden würden.
Decke = Gehe auf deine Decke/ Bettchen
Platz = Sphinxstellung in Vorspannung
Leg dich = Leg dich gemütlich hin, wir bleiben hier länger
Warte = Bleib hier, ich gehe weg

- Einmaliges Signal:
Der Hund erhält das Signal einmal und danach braucht er Zeit, um das Verhalten umzusetzen. Hier sind wir leider oft zu ungeduldig und wiederholen „Sitz“ noch dreimal. Hier lernt der Hund allerdings nur, dass es vollkommen egal ist, ob er sich beim ersten oder beim dritten Mal „Sitz“ hinsetzt. Es macht keinen Unterschied für ihn.
Einfacher wäre es, wenn man das Signal EINMAL sagt, Körpersprache (aufrecht bleiben, Finger erhoben) und das gesprochene Signal sagen dasselbe. Dann gibt man dem Hund etwas Zeit. Erst danach kann man es wiederholen.
Je schneller sich der Hund hinsetzt, desto höher ist auch die Belohnung. Lässt er sich mehr Zeit, gibt es nur mehr eine Kleinigkeit. Bitte gib ihm hier auf jeden Fall ein kleines Leckerchen, denn er hat ja das richtige Verhalten gezeigt. Sonst frustriert der Hund nur.
Spricht der Körper des Besitzers eine andere Sprache als das gesprochene Signal, fällt dem Hund die Umsetzung auch schwer. Z.B.: Man beugt sich über den Hund = Bedrohung. Hier wird er eher zurückweichen, statt sich hinzusetzen, da Sitz eine Aufwärtsbewegung für den Hund ist.