Die Sozialisierungsphase beim Welpen

Die Sozialisierungsphase beim Welpen

Die Sozialisierungsphase - eine der wichtigsten Prägephasen beim Welpen

Es ist nicht das Wichtigste, dass der Welpe Signale wie „Sitz“ oder „Platz“ lernt. Diese Dinge lernt ein schlauer Zwerg  in kürzester Zeit. Viel wichtiger ist es, die Prägephasen richtig zu nutzen, damit aus dem kleinen Welpen ein souveräner Junghund wird.
Jeder Welpe durchläuft verschiedene Prägephasen, in denen er bestimmte Dinge lernen sollte. Verpasst man diese Phasen, kann man gewisse Lernerfolge nicht mehr nachholen.

Eine der wichtigsten Prägephasen im Leben eines Welpen ist die Sozialisierungsphase. Über die genaue Dauer der Sozialisierungsphase sind sich selbst Experten nicht einig. Die einen behaupten, sie erstreckt sich nur bis zur 12. Woche, während andere der Meinung sind, dass sie bis zur 14. oder gar 16. Woche andauernd.

Der Welpe erfährt schon im Mutterleib Prägung:

Grundsätzlich beginnt prägendes Lernen bereits im Mutterleib. Diese Phase nennt sich pränatale Prägephase, die beispielsweise die Futterprägung des Welpen betrifft - Welpen bevorzugen Futter, das sie schon aus dem Mutterleib kennen und danach mit der Muttermilch aufnehmen. Ist die Mutterhündin während der Trächtigkeit gestresst, wird das System der ungeborenen Welpen bereits mit Cortisol überschwemmt. Diese Zwerge werden mit einem überaktivierten Stresssystem geboren.

Auch direkt nach der Geburt nehmen die Welpen ihre Umwelt wahr und erleben erste Reize und Prägungen. Zu Beginn sind die Augen noch geschlossen, aber die Neugeborenen nehmen Umweltreize bereits kurze Zeit nach der Geburt über Geruch und Gehör wahr.
Der Züchter hat eine hohe Verantwortung, da sich der Welpe in Phasen des  prägenden Lernens noch bei ihm befindet  und der Besitzer keinen Einfluss auf die Entwicklung des Hundes hat. HIer werden Geräusche-CDs abgespielt - dabei ist wichtig, dass der Welpe jederzeit den Raum verlassen kann, in dem die CDs abgespielt werden und nicht dauerhaft beschallt wird.
Der Welpe lernt erste Untergründe kennen, Berührungen durch den Menschen, Haushaltsgeräusche, … Souveräne Züchter erkundigen sich genau, in welches Umfeld der Welpe einziehen wird. Ein Welpe, der an einen ländlichen Ort zieht, muss auf andere Geräusche und Einflüsse vorbereitet werden, als ein zukünftiger Stadthund.


Die erste Zeit im neuen Zuhause…

Mit 8 Wochen ist die Frustrations-und Stresstoleranz des Welpen am höchsten. Zumeist werden die Vierbeiner in dieser Phase an ihre zukünftigen Besitzer abgegeben. Hier verkraften die Zwerge die Trennung am leichtesten. 

Bis zur 12. Woche sind die Kleinen noch eher zurückhaltend und beobachtend. Verständlich, denn es ist schließlich absolut alles neu. Sie werden mit Objekten und Geräuschen konfrontiert, die sie noch nie zuvor gesehen oder gehört haben.

Ab der 12. Woche wird der Welpe mehr neugierig als vorsichtig und beginnt sich für Reize zu interessieren und läuft beispielsweise zu jedem Menschen und Hund.

Was bedeutet Sozialisierung eigentlich?

Sozialisierungsphase  bedeutet, der Welpe muss innerhalb dieser Zeit alle Dinge kennenlernen, die später in seinem Leben einmal eine Rolle spielen werden: In dieser Zeit lernt der Hund „sozial kompetent“ zu sein. Sozialisierung bedeutet nicht, dass der Hund dem Reiz einfach nur ausgesetzt wird. Nimmt man den Welpen beispielsweise mit ins Einkaufszentrum, weiß man nicht, wie er die Reize verarbeitet und verknüpft. Der Hund muss alle Reize positiv verknüpfen. Dies gelingt einem am besten, indem man einen gut konditionierten Marker einsetzt, sobald der Welpe den Reiz wahrnimmt. Zu Beginn ist das einfach jeder Reiz.

Das Welpengehirn ist in den ersten Lebenswochen enorm aufnahmefähig. Je mehr er in der Zeit kennenlernt, desto mehr Informationen sind später abrufbar und desto mehr Nervenbahnen werden im Gehirn gebildet.

Sozialisierung mit Hunden

Wichtig ist, dass der Welpe so früh wie möglich anders aussehende Hunde kennenlernt. Er muss lernen, die Gesichtsmimik von einfärbigen Hunden genauso zu lesen, wie von markenfarbigen Tieren. Auch ein Hund mit oder ohne Rute kommuniziert anders. 
Der Welpe muss lernen, dass ein Windhund keine Angst hat, sondern dass die „eingezogene“ Rute seine natürliche Haltung ist. Er muss verstehen lernen, dass eine französische Bulldogge nicht knurrt, sondern die Schnaufgeräusche ihre normale Atmung sind. Jede Rasse hat ihre Eigenheiten und das muss dem Welpen bewusst werden.


Wichtig ist dabei trotzdem, dass man sich die Hunde, mit denen man seinen Welpen konfrontiert, gut ansieht. Es gibt genügend erwachsene Hunde, die selbst nicht ideal sozialisiert wurden - die beispielsweise unhöflich oder aufdringlich sind oder drohen. Solche Erfahrungen sollten jedem Welpe erspart bleiben. Welpen lernen durch Nachahmung. Wenn er nun mehrmals die Erfahrung macht, dass eine „normale“ Begrüßung unter Hunden mit einer Drohgebärde abläuft, wird er das schnell übernehmen und das gesamte Training war eher kontraproduktiv. Somit ist wichtig, dass man den Kontakt zu unsicheren, ängstlichen oder gar aggressiven Artgenossen vermeidet.

Sozialisierung mit anderen Tierarten:

Befreundete Tierarten, die oft in das Beuteschema des Hundes fallen, müssen vor der 12. Woche kennengelernt werden, wie z.B.: Katzen, Vögel, Pferde, Hasen, etc. Dies ist besonders wichtig, wenn der Hund später mit diesen Tieren in einem Haushalt leben soll bzw. mit ihnen arbeiten soll (Hütehund – Schafe).

Alltagssituationen

Der Welpe sollte den Tierarzt, sowie abwiegen, Fieber messen, pflegen, kämmen, baden kennenlernen.  Der Welpe sollte mit Alltagssituationen wie z.B.: eine befahrene Straße oder das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln sozialisiert werden. Es reicht in der ersten Phase, wenn der Welpe U-Bahn-Geräusche kennen lernt und einmal 1-2 Stationen damit fährt. Es geht nicht darum, täglich sämtliche öffentliche Verkehrsmittel mit dem Zwerg im Schlepptau abzuklappern.
Lernt er all das innerhalb der Sozialisierungsphase kennen, wird ihn keine dieser Situationen später stressen, sondern ganz selbstverständlich für den Welpen sein.

Der Welpe muss Ruhe und Steadyness lernen und dass sich nicht immer alles nur um ihn dreht. Sonst erhält man später einen Hund, der sich keine Minute mit sich alleine beschäftigen kann.
Auch der Welpe darf schon einige Dinge alleine erforschen. Man darf den Zwerg ruhig ein verstecktes Leckerchen länger suchen lassen und muss nicht sofort helfen - hier lernt er, dass es sich lohnt dranzubleiben und dass man sich auch ein bisschen anstrengen muss. Natürlich wird das Keks nicht unfair oder extrem schwer versteckt. Aber er darf sich schon ein bisschen bemühen.

Sozialisierung mit Kindern

Es ist besonders wichtig, dass der Welpe mit Kindern konfrontiert wird. Denn Kinder sind für Hunde oft besonders befremdlich, weil sie unberechenbar sind. Ein erwachsener Mensch ist berechenbar, während Kinder vollkommen unvorhersehbar agieren, kreuz und quer laufen und dabei oft noch quietschen. Der Hund muss auch damit umgehen lernen. Dabei ist auch wichtig, dass die Kinder nicht übergriffig sind und z.B.: den Welpen festhalten, wenn er es nicht möchte. Welpen dürfen auch nicht an Ohren oder Rute gezogen werden, denn dies wären negative Erfahrungen und der Welpe könnte Kinder als negativ abspeichern und sich in Zukunft fürchten.

Hat der Welpe jedes Element einzeln kennengelernt, kann er seine Erfahrungen kombinieren: Kennt er Männer, Rollstühle und Krückstock, wird er sich vor einem Mann mit Krücken oder einem Mann im Rollstuhl nicht erschrecken.


Wir dürfen nicht vergessen, dass ALLES auf der Welt für das kleine Fellknäuel neu ist. Dinge, die wir als komplett selbstverständlich ansehen, können dem kleinen Hund große Angst einjagen: Der Staubsauger erscheint für einen Chihuahua-Welpen wie ein Ungeheuer, auch ein Besen kann unheimlich sein und der Rasenmäher macht ebenfalls furchtbar angsteinflößende Geräusche.

Erwünschtes Verhalten verstärken lohnt sich immer…

Wir vergessen den Welpen für gewünschtes Verhalten zu belohnen: Er liegt so brav unter dem Tisch, während wir Gäste haben. Auch dieses Verhalten gehört belohnt. Woher soll der Welpe denn sonst wissen, dass wir genau das von ihm wollen?
Meist neigt man eher dazu, dass man gewünschtes Verhalten einfach hinnimmt (denn er zeigt es ja eh von selbst), während man unerwünschtes Verhalten bemängelt und den Welpen schimpft. Doch einem Welpen ist negative Aufmerksamkeit lieber als gar keine Aufmerksamkeit - somit wird er das unerwünschte Verhalten öfter zeigen.

Wichtig für das gesamte Training ist: Den Welpen niemals überfordern, ihm ausreichend Schutz bieten und sämtliche Erfahrungen ohne Druck und Stress machen lassen. Jeder Welpe hat sein eigenes Tempo, auf das wir Rücksicht nehmen müssen. Sozialisierung bedeutet nicht, dass man den Welpen von früh bis spät durch die Gegend schleift, sondern ihn langsam und behutsam an diese Erfahrungen heranführt. Zusätzlich braucht ein Welpe mindestens 20-22 in 24 Stunden Schlaf, was es unbedingt einzuhalten gilt. Manchmal muss der kleine Vierbeiner zum Schlaf „gezwungen“ werden. Denn oft sind sie wie überdrehte Kinder: Eigentlich schon unglaublich übermüdet, aber gleichzeitig könnte man ja etwas von der aufregenden Welt verpassen - hier denkt der Welpe gar nicht daran von alleine schlafen zu gehen.

Das Lernverhalten eines Welpen:

Das Lernverhalten eines Welpen ist stark von dessen Eigenaktivität bestimmt. So sind heranwachsende Hunde scharfe Beobachter, denen es innerhalb gewisser Grenzen möglich ist, Gesehenes nachzuahmen. Dies ermöglicht ihnen Verhaltensweisen zu übernehmen, ohne selbst die sonst notwendige Erfahrung sammeln zu müssen. Auch hier spielt die Wirkung der Stimmungsübertragung eine große Rolle – der Einzelne möchte dasselbe tun, wie die anderen Hunde. Dieses Nachahmungslernen oder auch Tradieren genannt, gilt für positive, als auch negative Verhaltensweisen. Reagiert beispielsweise die Mutterhündin mit Kläffen auf Autogehupe, werden auch ihre Welpen dazu neigen dieses unerwünschte Verhalten zu übernehmen. 

Somit sollte man auch die Freunde des Welpen mit Bedacht wählen. Eine unsichere Hündin, die regelmäßig mit dem Welpen spazieren geht, kann dem kleinen Vierbeiner schnell „lernen“, dass er sich vor allem und jedem fürchten muss. Selbstsichere Freunde sind wichtig, von denen der Welpe Positives lernen kann.

Spielen ist besonders wichtig…

Besonders viel lernt der Welpe beim Spielen mit anderen Artgenossen. Hier ist darauf zu achten, dass die Welpen ungefähr das gleiche Alter (bzw. dieselbe körperliche Verfassung und Reifegrad) haben. Im ständigen Rollenwechsel liegen zahlreiche Lerneffekte. Neben der Fähigkeit sich durchzusetzen, muss auch das Verlieren gelernt werden. Das ist vor allem zur Minderung angstmotivierter Aggression im späteren Verhalten wichtig. Ohne große gegenseitige Rücksichtnahme wird die ganze Bandbreite des Dominanz- und Unterordnungsverhaltens „durchgespielt“ und dabei lernt und übt der kleine Zwerg auch die Beißhemmung.

Die erste Angstphase

Oft sind Welpen bis zur 16. Woche extrem neugierig, doch das Verhalten ändert sich schlagartig um die 16. Woche, denn hier sinkt die Stress- und Frustrationstoleranz auf null. Alle Dinge, die bis jetzt selbstverständlich waren, sind auf einmal gruselig. In diesem Alter beginnt auch der Zahnwechsel, was zudem schmerzhaft ist und den Welpen zusätzlich stresst. Diese Phase wird auch die erste Angstphase genannt und dauert, je nach Welpe, ca. 3 Wochen. In dieser Zeit ist der junge Vierbeiner ängstlich und kann damit beginnen, ihm unheimliche Objekte anzubellen. Es kann auch vorkommen, dass er zig Mal an einem Mülleimer vorbeiläuft und plötzlich beschließt, dass er dieses unheimliche Ding noch nie gesehen hat und sich davor fürchtet.
Diese Phase ist normal, aber es ist trotzdem wichtig, dass man diese Angst vor den Objekten auflöst und ihm zeigt, dass ihm diese Gegenstände nicht an den Kragen wollen. 

Fazit:

Kann man den Welpen gut sozialisieren und kann der Welpe all diese Erfahrungen machen, entwickelt sich ein Junghund mit guter psychischer Belastbarkeit und einer hohen Wesensfestigkeit. In dieser entscheidenden Prägephase greift man direkt auf die Festplatte zu und schafft eine stabile Basis für den Junghund.

Die Sozialisierung ist somit das Um und Auf, denn niemand möchte einen gestressten Junghund haben, der alles ankläfft, was sich bewegt oder in Panik verfällt, wenn er nur die Autotüre hört.